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Der Rheinfallschiffer

Romanze aus dem 16. Jahrhundert

von Jakob Mändli

[Zeichung von Lang] E in prächtiger erster Maimorgen war über dem Kohlfirst aufgestiegen. Aus der Dämmerung heraus erklangen die Lieder der erwachenden Vögel. Gähnend schaute Adelbert, ein strammer Jüngling, im Nohl aus dem Fenster hinab zum Rhein, wo sein selbstgebauter, neuer Kahn am Ufer zur Fahrt bereit lag.

'Gott sei mit mir!' sprach er vor sich hin, denn er hatte heute erstmals als 'Rheinfallschiffer' anzutreten.

Melchior, der Page von Bertha auf Schloss Laufen, hatte ihm schon im Winter den Vertrag auf Pergament gebracht. Am andern Ufer hatte eben ein Fischreiher sein Frühstück aus dem Rhein geholt, als 'Benno', Adelberts treuer Begleiter, ein prächtiger schwarzer Neufundländer, laut bellend aus seinem Hundehaus sprang. Gewiss, er hatte seinen Grund: Den schmalen Haldenweg entlang kam ein Mädchen geschritten, ein Kopftuch umgebunden, da der Morgen kühl war.

'Guten Morgen, Rosmarie!' rief Adelbert seiner Jugendgeliebten zu. 'Ich bin gekommen, dir Glück zu wünschen zu deiner Stelle, denn dein Glück wird auch das meine sein. Und wenn du dann schön verdienen kannst, werden wir bald heiraten können.'

Mit einem freudigen Sprung aus dem niederen Fenster stand Adelbert schon unterm blühenden Fliederbusch und umarmte Rosmarie. 'Nun werden wir uns nur noch morgens und abends sehen', sprach sie wehmütig zu Adelbert, der seine Hemdsärmel über seine starken Muskeln rollte. 'Aber öfters werde ich dich mit Benno' beim Schlösschen Wörth besuchen und zusehen, wie es dir geht und was du machst', ergänzte sie.

'Vor allen Dingen, bleib mir treu und lass dir nie den Kopf verdrehen, wenn du gewisse Frauen zum Schlossfräulein am Laufen führen musst. Du verstehst mich doch, wie ich das meine, Adelbert, es wird so ganz anders sein, wenn du nicht mehr die ganze Zeit bei mir bist.'

Adelbert hatte Rosmaries Eltern stets geholfen, an der steilen Halde den Weinberg zu besorgen und auch beim Fischfang mitzuwirken.

Im Dörfchen Nohl war noch alles still, und diese Stille wollte Adelbert benutzen, um vom Ufer abzustechen.

Niemand ausser Rosmarie sollte ihn heute morgen sehen, denn der neue Beruf bedeutete für ihn eine Wendung im Leben, und fast reute es ihn, die Stelle angetreten zu haben. Eine Unruhe stieg in ihm auf, als würde ihn die Zukunft einst erwürgen.

Rosmarie nahm tränenden Auges Adelbert am Arm und trug ihm sein Säckchen mit Brot und geräuchertem Speck und Fisch zum Kahn.

Im Kirchlein zu Laufen läutete eben die Morgenglocke Betzeit, als Adelbert den Stachel zur Abfahrt rheinaufwärts erfasste.

'Bind mir das Rheinfallschiff selbst los, Rosmarie, auf dass es nie versinken werde, und reich mir die Hand! Auf Wiedersehen, mein Kind!' So sprach Adelbert und fuhr los. 'Benno', der Schritt für Schritt den beiden folgte, begann zu heulen und eilte am Ufer hin und her; doch Rosmarie rief ihn zurück.

Adelbert schob mit starken Armen den Kahn aufwärts. Stets winkten beide mit den Taschentüchern einander zu, bis eine Nebelbank den Liebsten verschlang und nur noch die Wellen in ewig gleichem Spiel ans Ufer schlugen.


[Neher'schen Eisenwerke] R osmarie konnte den Abend kaum erwarten. Wie schön auch der Morgen war, um so düsterer wurde es gegen Abend. Die Nebel stiegen empor und ballten sich zu einem drohenden Gewitter, zu einem Gewitter im Mai.

In einer Schutzhütte für die Fischer wartete Rosmarie mit dem treuen Gefährten 'Benno' auf die Rückkehr Adelberts. Schon dämmerte es und Blitze zuckten am westlichen Himmel auf, als Adelbert in schneller Fahrt rheinabwärts fuhr, sichtlich erfreut, von seinen guten Freunden abgeholt zu werden. Rasch band er das Schiff am Eichenpfahle fest, ergriff Rosmarie am Arm und ging flinken Schrittes wegen des herannahenden Unwetters zu seinem Elternhaus.

Die ersten schweren Tropfen hatten sie bereits erfasst, und so ging Rosmarie mit in die Stube, wo auch Adelberts Eltern gespannt auf dessen Tätigkeitsbericht warteten. 'Als ich am Morgen unterm Fall gegenüber dem Schloss anlegte', begann er zu erzählen, 'ruhte ich mich erst ein bisschen aus. In der Schutzhütte, in der ich künftig auf meine Gäste warten muss, versorgte ich in einem Wandschrank mein Essen und ein Krüglein Wein.

Dann besah ich den Weg der Wellen und suchte mir die Fahrrinne zur Überfahrt aus.

Als ich sah, dass auf dem Schloss der Tag begonnen hatte, stiess ich vom Ufer los. Ich muss euch sagen, einmal wurde mir bange in der Nähe der tosenden Wasser, doch schnell hatte ich die Situation erfasst und wandte den Nachen. Genau beim Fussweg, der durch den Wald zum Schloss führt, legte ich an. Dort begann mir das Herz zu klopfen, noch mehr als beim Rudern, als ich den steilen Hang aufwärts schritt.

Die Vögel sangen ihre Frühlingslieder und gaben mir Mut, vor das Edelfräulein Bertha von Laufen zu treten. Der Turmwächter wusste um meine Ankunft und liess die Fallbrücke an schweren Ketten hinunter, nachdem er sich vorerst nach meinem Namen erkundigt hatte.

Ächzend schloss sich das schwere Tor hinter mir, und der Wächter kam vom Turm herunter. Er reichte mir die Hand und ging mit mir der Schutzmauer entlang über einen gepflasterten Weg zum Schloss.'

'Dort hinten rechts, dort zieht Ihr an der Glocke', bedeutete er mir, ich muss zurück und wünsche Euch Glück als Rheinfallschiffer'.

'Darauf zog ich am Seil und liess die Glocke dreimal klingeln. An einem Guckfenster erschien Melchior, der Page.'

Ein starker Donnerschlag liess die Fenster erklirren. Das Gewitter war inzwischen nähergerückt, und ein Blitz hatte in den Rhein geschlagen. Benno' heulte laut auf und verbarg sich in einer Ecke der Stube.

'Ah, Adelbert ist hier, genau nach dem Vertrage', sprach Melchior, nachdem er das schwere Schloss geöffnet hatte. 'Gestattet, dass ich nun du sage', redete er mich an.

'Auch meinerseits', entgegnete ich ihm, 'wer weiss, wie nahe wir uns einst stehen werden, wenn irgendeine Gefahr droht.'

'Komm Adelbert, ich stell dich jetzt meinem Edelfräulein vor. Wir machen's kurz, denn wie ich sehe, blendet dich der Prunk in diesem Schlosse; es ist eben hier ganz anders als in deiner vom Holzwurm zerlöcherten Fischerstube. Hier hat's Teppiche, Gemälde, Spiegel, Kamine, Kupfer, Zinngeschirr. Er fasste mich am Arm. Dann klopfte er an eine Tür und lauschte, bis eine zarte Frauenstimme 'Herein!' rief :

'Seid willkommen, Adelbert', sprach das Edelfräulein, in bunten Kleidern am offenen Fenster sitzend.

Befangen von der Pracht des Zimmers, blieb ich stehen und verbeugte mich und wusste nicht, wie grüssen.

'Bitte, nehmt Platz am Tisch mir gegenüber, wir wollen noch besprechen, was im Vertrag bereits geschrieben steht.' Ich gehorchte.

'Ihr seid von mir zum Rheinfallschiffer bestimmt worden', begann sie, meine Erkundigungen über Euch sind sehr gut, ich habe Vertrauen zu Euch und anvertraue Euch und Eurem Schiffe meine Besucher. Bis zum Herbst wird es täglich solche geben. Kann ich mich stets auf Euch verlassen, Adelbert?'

'Jawohl, edles Fräulein', beteuerte ich.

'Ihr führt die Besucher stets bis zu mir!', sprach sie weiter. 'Im Turme gegen Norden wartet Ihr bei meinem Wächter und helft ihm gleich wachen.

Mir droht Gefahr vom Norden her.

Ein Ritter bewirbt sich um meine Hand, wohl um des Schlosses willen, das ich von meinem Vater erbte. Aber davon will ich nichts wissen. Ich habe ein treues Gesinde und will mir diese Treue nicht entgehen lassen.

Kurzum, ich dulde diesen Ritter nicht auf meinem Schloss.' So Bertha von Laufen.

Es entstand eine kurze Pause, und dann fuhr das Edelfräulein fort: Wenn meine Besucher wieder ans andere Ufer wollen, dann nehmt sie im Nachen zurück, und sollte jemand länger bei mir bleiben, dann kehrt allein zurück. Zieht Melchior die Glocke, dann kommt schnell herüber. Den Lohn zahle ich Euch bei jedem Monde in Golden.

Euer Tagewerk beginnt am frühen Morgen und ist zu Ende, wenn die Sonne sinkt. Im Spätjahr ist dieser Dienst vorbei. Im Winter kann es wohl noch eine Arbeit geben, wenn Ihr dazu gewillt seid.'

Nun stand Bertha auf, öffnete ein Kästchen und zeigte mir auf Pergament ein Siegel mit den Worten: Das ist mein Siegel, das nehmt in Eure Tasche. Alle Besucher haben dasselbe Siegel Euch vorzuweisen. Kein Mensch darf ohne dieses Siegel zu mir herübergeführt werden, versteht Ihr das, Adelbert!'

'Jawohl' antwortete ich, 'ich habe alles vollkommen verstanden, edles Fräulein Bertha', und erhob mich. Darauf schloss sie das Gespräch mit den Worten: 'Mein Page Melchior führt Euch noch zu dem Turme, von dem ich vorhin sprach, und jetzt wünsche ich Euch Glück im Kampf mit den Wellen.'

Ohne ihr die Hand zu reichen, ging ich alsdann hastig zur Tür und verbeugte mich, so wie ich glaubte es tun zu müssen.

Hierauf begab ich mich zum Ufer und fuhr die Strömung zurück und fühlte mich schon sicher.

Den ganzen schönen Maitag verbrachte ich dort in der Hütte und lauschte den plätschernden Wellen, die an dem Nachen sich zerschlugen. An diesem Tag meldete sich niemand. Um die freie Zeit auszunützen, nahm ich mir vor, morgen Fischernetze fürs ganze Dörfchen zu knüpfen und Fische zum Verkauf zu fangen.

Inzwischen war es Nacht geworden, und das Gewitter hatte sich gegen Schaffhausen verzogen.

Die Eltern Adelberts waren zufrieden, dass der Anfang gemacht war und ein Verdienst ins Haus kommen sollte. 'Und nun, Rosmarie, gehst du schnell nach Hause, deine Eltern und Geschwister werden auf dich warten', wandte sich jetzt Adelbert an seine Geliebte, 'komm, Benno', komm, wir sind gleich wieder hier!'

Unterm Fliederbusch, von dem die Regentropfen fielen, sagten sich die beiden gute Nacht.


[Aquarell von Bleuler] U nd so geschah es, dass Rosmarie jeden Morgen am Ufer des Rheins von Adelbert Abschied nahm und am Abend seine Rückkehr erwartete. Zwei Monde gingen so dahin, und beim dritten war Rosmarie dabei, als Adelbert seinen Lohn zu Hause in baren Gulden auf den Tisch zählte.

'Bisher bin ich zufrieden, Adelbert', sagte heute Bertha von Laufen, als sie ihm den Lohn gab. 'Meine Gäste lobten Eure Kunst als Rheinfallschiffer, Mönche, Ritter, Grafen und selbst Fürsten und Herzöge. Doch nächstens werdet Ihr meine beste Freundin zu mir führen, es ist Adelheid von Stockar zu Schaffhausen, des Ratsherrn Tochter. Bisweilen kam sie hoch zu Pferd über die Brücke bei Feuerthalen mit ihrem Diener. Doch seltsame Reiter kreuzten letzthin ihren Weg im Walde am Kohlfirst . Nun hat sie sich entschlossen, sich von Euch über die Wellen führen zu lassen. Wohl fürchtet sie sich sehr, und nur durch mein Zureden will sie sich Euch anvertrauen.

Macht dann eurem Ruf als Rheinfallschiffer Ehre, Adelbert!' schloss Bertha von Laufen. Doch Rosmarie runzelte kummervoll die Stirne.

Unter der Türe des Hauses ergriff sie plötzlich Adelberts Hände, sah ihm tief in die Augen und sprach:

'Mein Liebster, mir wird bang, wenn ich daran denke, dass du ein so hohes Fräulein aus einer Patrizier-Familie in dein Schiff nehmen musst. Wie leicht könntest du mich da vergessen, ich bin ja nur die Tochter eines Fischers.

Und dann gefällt mir der Name Adelheid schon gar nicht. Ist das ein Zufall oder ein verborgenes Schicksal, dass bei dir und diesem Fräulein ein Adel' im Namen vorkommt?'

'Ach was, mein liebes Kind', warf Adelbert ein, 'so mach dir doch keine kummervollen Gedanken. Das Weibsbild führ ich wohl hinüber wie die Ware, die ich so oft ab Schaff hausen zur Versorgung übersetze, du wirst wohl niemals glauben, dass so ein Fräulein von Stockar sich nur nach mir umdrehen würde, nach so einem armen Rheinfallschiffer und Fischer. '

Rosmarie beruhigte sich und gab Adelbert den Gutnachtkuss.

Aber sie schlief lange nicht ein. Der Mond leuchtete durchs Fenster auf die Leinenkissen, auch bei Adelbert.

Am Morgen schien ein heisser Tag zu erwachen, als Adelbert vom Ufer stiess. Diesmal war Rosmarie nicht da. Nur 'Benno' war dem Meister zum Rheinufer gefolgt.

Adelbert setzte sich in die Hütte und knüpfte Fischnetze. Ab und zu glitt sein Blick hinüber zum Schloss. Da plötzlich hörte er das Getrabe von Pferden näherkommen. 'Kommt es schon, das Fräulein von Stockar, die Adelheid?', dachte er und sprang hinaus.

Falsch geraten! Wer kam da hinter den Bäumen hervor? Ein geharnischter Ritter mit zwei Reitknechten. Sie sprangen von den Pferden, banden sie an und traten auf Adelbert zu. In forschem Tone redete der Ritter Adelbert an: 'Ihr seid der Rheinfallschiffer? ' 'Ja! ' ' Und ich bin Edgar von Hohenkrähen', herrschte jener ihn an, 'und will zum Schloss, Ihr führt mich hinüber.'

'Den Ausweis', verlangte Adelbert in gleich forschem Tone.

'Wozu ein Ausweis, ich will zu Bertha auf das Schloss Laufen. Los, gelockter Jüngling, an die Ruder. Ich habe keinen Ausweis! '

Der Ritter schritt zum Kahne, der schaukelnd unter der sengenden Sonne auf den Wellen tanzte.

'Haltet ein, Edgar von Hohenkrähen, ich führe Euch nicht hinüber', wehrte Adelbert ab.

'So ist es mir befohlen, wer keinen Ausweis besitzt, wird nicht befördert.'

'Ha, da will ich einmal sehen. Kommt her, ihr Knechte, zeigt dem Schiffer, wie man ihn zwingt, zu fahren.'

Die beiden Knechte traten vor und griffen nach ihren Schwertern.

'Zurück, schert euch zum Teufel, das will ich euch zeigen!' Adelbert sprang wütend in die Hütte und holte den Morgenstern.

Mit dieser Waffe trat er vor die Knechte und schrie-. 'Los, haut ab, sonst schlag ich euch alle tot.'

Er erhob die Keule drohend zum Schlage, die starken Muskeln spielten an den Armen, und gleich hatte er erreicht, was er wollte.

Unflätige Racheschwüre ausstossend, schwangen sich die drei Reiter auf die Pferde und stoben davon, gegen Norden, wo sie hergekommen waren.

Adelbert verfolgte sie mit seinen Adleraugen, bis er die Gewissheit hatte, dass sie verschwunden waren.

Dann ging er in die Hütte. 'Das kann ja gemütlich werden', dachte er, 'das muss ich meiner Herrin melden'.

Er nahm den Krug und hob ihn an den Mund zu einem kühlen Trunke, denn er hatte einen guten Tropfen Wein mitgenommen.

Rasch setzte er über und begab sich zum Schlosse. Atemlos begehrte er Einlass. Ächzend fiel das Falltor, und vom Schlosshof her kam Melchior geschritten.

'Was ist los, Adelbert, zu dieser Stunde, du kommst allein?' 'Ja, melde mich bei Bertha, meiner Gnädigsten, ich habe eine wichtige Meldung zu erstatten.'

Ohne weiter zu fragen, führte Melchior den Schiffer zu der Herrin. Von der Neugier gestochen, horchte Melchior an der Türe und hörte, was Adelbert erzählte.

'Da haben wir die Bescherung', sprach Bertha. 'Ich danke Euch für Eure Tapferkeit. Nun hört mich an, Adelbert. Ich werde meine Leute wachsam halten. Der Ritter wird sich rächen, er will sich meine Hand erzwingen, und es wird weiteres geschehen. Ich weiss, ich kann mich, auf Euch verlassen.

Droht mir eine Gefahr, dann nur von dieser Seite des Eingangsturmes her. Sollte ich von dort belagert werden, dann bläst Melchior ins Horn zum andern Ufer, dort wo Ihr wacht. Dann, bitte, holt Hilfe auf schnellstem Wege. Ich denke an die braven Leute zu Uhwiesen , Flurlingen und auch Feuerthalen und Langwiesen , die mir wohlgesinnt sind. Habt ihr mich verstanden, Adelbert?' - 'jawohl, Gnädigste', antwortete Adelbert. 'Dann noch eins - ich werde es Euch wohl belohnen.'

Diesmal reichte Bertha von Laufen Adelbert die Hand und rief Melchior herbei.

'Melchior', sprach sie, 'gebt Adelbert zu essen und zu trinken, er soll sich stärken unter diesem Dache, bevor er über die Wellen reitet.'

In der Hütte angelangt, straffte Adelbert die Muskeln seiner Arme wie zum Kampfe rüstend. Aber nichts geschah, und es wurde Abend.

Rosmarie wartete besorgt am Ufer, wie immer, und dann sah sie das ernste Antlitz ihres Liebsten.

Oben in der Stube erzählte Adelbert, was vorgefallen war, und alle schauderten ob seiner Rede.

'Habt keine Angst um mich', tröstete er sie, 'ich werde fertig mit solchem Ungeziefer wie mit den Wellen des tosenden Rheines. Gott hat mir Kraft gegeben, um sie zu brauchen, verlasst euch darauf und habt gute Ruhe!'

Wie gewohnt begleitete Adelbert seine Rosmarie ins Nachbarhaus.

'Ist Adelheid noch nicht gekommen?' fragte Rosmarie und warf die blonden Zöpfe von der Brust nach hinten. 'Ach nein, du armes Kind, das hab ich schon vergessen. Vielleicht kommt sie morgen.'

'Gute Nacht, Adelbert, Gott schütze dich und mich. Ach, wenn es nur bald Winter wäre und du wieder daheim sein könntest, ich habe Sehnsucht nach dir und bin besorgt um dein Leben.'


[Stich von Gmelin] Es ging den Hundstagen entgegen, die Landschaft lag tagsüber wie versunken in der Hitze. Gerne hätte Rosmarie Adelbert mit 'Benno' einmal in seiner Hütte besucht, doch es war zu gewagt, allein dort hinzugehen, zumal der Weg durch einen Wald, das gefährliche 'Fischerhölzli', führte. Besuch kam nur selten aufs Schloss.

Und so geschah es, dass, als Adelbert zur Mittagszeit sich aufs Ohr gelegt hatte, jemand an die Tür klopfte. 'Hallo, Rheinfallschiffer', rief eine derbe Stimme.

'Schläfst du? Wach auf und komm heraus.'

Erschreckt fuhr Adelbert auf und rannte aus der Hütte. Dort gewahrte er zu Pferd ein vornehmes blondes Fräulein mit ihrem Diener, der vorhin geklopft hatte.

'Rheinfallschiffer, macht Euch bereit, meine Herrin dort hinüber zu Bertha von Laufen zu führen ', Wies der Fremde Adelbert an.

'Ihren Ausweis bitte', sagte Adelbert.

'Ludwig Peyer von Schaffhausen, Reitknecht beim Ratsherrn von Stockar', lautete die Antwort.

Ein Zucken ging über Adelberts Lippen. 'Und darf ich gnädigst Ihren Ausweis prüfen?'

Aus einer Ledertasche am Sattel des Pferdes zog das junge Fräulein den Ausweis heraus und reichte ihn Adelbert: 'Adelheid von Stockar zu Schaffhausen, Tochter des Ratsherrn von Stockar.'

Verblüfft gab Adelbert den Schein zurück, und mit einer Verbeugung grüsste er die Angekommenen.

Inzwischen stieg Adelheid vom Pferd.

'Ich habe von Eurer Kunst gehört, das Schloss auf dem nächsten Wege zu erreichen, Euer Kurs führt unterm Falle durch, wo jeder Laut der Stimme erstirbt ob dem Tosen, hat man mir gesagt. So führt mich hinüber und hinauf zu Bertha von Laufen, doch seid gewiss, ich fürchte mich, ich fürchte mich sehr. Mein Reitknecht Ludwig bleibt bei den Pferden bis zu meiner Rückkehr.'

'Nur keine Angst, Fräulein Adelheid von Stockar, wenn auch die Sonne brennt, der Wasserdampf wird kühlen. Hier ist der Nachen, der mir gehorcht, so wie ich ihn führen will. ' Adelbert war beim Einsteigen behilflich, ergriff die Hand, die zarter war als jede Hand, die er schon gefühlt hatte.

'Hier ist der Platz, und da sind zwei Griffe, die wollen Sie ergreifen. '

Die Ketten klirrten, die Arme beugten sich, und dann stach das Schiff in die Fluten.

Die Pferde stampften wegen dem Ungeziefer, das Ludwig mit grünen Zweigen abwehrte.

'Kommt gut hinüber und zurück', rief er den beiden aus Leibeskräften nach.

Adelbert besah sich seine Fracht mit Sperberaugen und sprach kein Wort, denn Adelheid schien sich wirklich zu fürchten und glaubte in dieser Stunde, dass ihr Schicksal in den Händen des kräftigen Rheinfallschiffers liege.

Adelheid sah, wie der Schweiss ihm über die Stirne rann. Dann aber sah sie auch, wie sich seine Gesichtszüge entspannten, als das Ufer nahte.

'Da wären wir, war nicht so schlimm, Fräulein von Stockar, wenigstens für mich nicht', lachte Adelbert und band den Nachen fest.

'Der Aufstieg zum Schloss ist sehr steil und steinig, und so will Bertha von Laufen, dass ich ihre Gäste führe. Gestatten Sie, dass ich Ihnen deshalb die Hand gebe.'

'Gewiss', sprach Adelheid und blieb in einer Lichtung stehen.

Von dort sah man in den grossen Wasserfall hinein. Die Sonne zeichnete darin einen Regenbogen. überwältigend ist der Anblick dieser wilden Elemente. Ein schmaler Weg führte durch den bewaldeten Hang hinauf zum Schlosse. 'Ihr seid gewiss schon oft bewundert worden, Rheinfallschiffer, wenn Ihr die hohen Besucher bis zum Schlosse führtet? '

'Gewiss', antwortete Adelbert, 'aber das ist nun mein Beruf, ich muss Geld verdienen, ein Mädchen wartet auf mich, die Rosmarie, wir wollen bald heiraten'. 'Adi so', sprach Adelheid, 'wo wohnt sie denn?'

'In meinem kleinen Fischerdorf, im Nohl , im Nachbarhaus. Ihre wie meine Eltern leben vom Fischfang und vom kargen Boden.'

'Mein Vater', warf Adelheid ein, 'ist von adeligern Geblüte, er ist Ratsherr in Schaffhausen; aber wir haben eines gemeinsam, Rheinfallschiffer.'

'Sagen Sie mir nur Adelbert, Fräulein von Stockar, wie ich's gewohnt bin.'

'Das eben wollte ich gerade sagen, wir haben eines gemeinsam, das 'Adel'.

'Ach ja', gab Adelbert zurück, 'das stimmt, doch ist mein Blut zu stürmisch, um adelig zu sein, ich bin nicht zu solchem Ruhm geboren.'

Nun war die Fallbrücke erreicht. Der Wärter hatte die beiden schon von weitern gesehen und die Brücke herabgelassen.

Sichtlich erfreut, begrüsste Melchior die Ankommenden und führte Adelheid von Stockar zu Bertha von Laufen. 'Und Adelbert, Ihr sagt mir nun künftig Fräulein Adelheid', bat das Fräulein von Stockar, 'es klingt bescheidener'.

'Ich danke Ihnen', gab Adelbert zurück.

'Ich komme bald zurück, ich muss zu meinen Pferden, mein Vater erwartet mich frühzeitig.'

Melchior bot Adelbert einen Platz unter den Linden und wartete mit Speise und einem Krüglein Wein auf.

'Das Edelfräulein hat es so befohlen und bittet dich, Adelheid von Stockar wieder gut zurückzubringen.'

'Auf das kannst du dich verlassen, mein lieber Melchior. Sag, hast du nichts mehr gehört vom Ritter vom Norden? Glaubst du, er werde nochmals kommen, glaubst du mit einem Tross?'

'Gewiss, das glaube ich, Adelbert, und wünschte mir das eine, dass du dann hier wärest zum Schutze von Schloss und Leben '

'Vielleicht kann ich dann helfen, vielleicht?'

Adelbert bat nochmals um ein Krüglein von dem feinen Weine. Für das Wohl Adelheids wurde bei Bertha gesorgt.

Melchior glaubte, es würde über eine geheimnisvolle Sache bei der Herrin verhandelt.

Um die Ecke der Schlossmauer kamen Bertha und Adelheid, sich im Flüstertone unterhaltend. Bertha begrüsste Adelbert und bedankte sich für die gute Führung ihrer Freundin.

'Und ich danke Ihnen für Speise und Trank', entgegnete er, 'ich will mir alle Mühe geben, die Rückkehr sicher zu besorgen.'

Darauf nahm Adelheid Abschied und schritt dem Abhang zu.

Jetzt fürchtete sie sich nicht mehr. Und wiederum blieb sie in der Waldlichtung stehen und schaute auf den Strom hinaus.

'Ich sehe meine Pferde auf mich warten, dort unter den Bäumen bei der Hütte', rief sie Adelbert zu, 'auch ich werde bald heiraten müssen, so will es mein Vater.' 'Ja, warum müssen?', fragte Adelbert verwundert. 'Ach, das ist so Sitte im Hause von Stockar, dass der Vater bestimmt, wen die Tochter zu heiraten hat, um nicht aus dem Adel zu fallen! '

'Ach so, und wer soll denn Ihr Gatte werden, wenn ich fragen darf?'

'Das soll Georg, der Ritter auf Schloss Herblingen, sein, mit ziemlich viel Gulden in den Schränken. Doch was nützt all das Geld und dieser Adel, wenn mir diese Heirat zuwider ist! Es soll Geheimnis sein, Adelbert, was ich Euch jetzt anvertraue. Ich weiss, dass Ihr niemandem je etwas erzählen werdet.'

'Niemals, Adelheid, das verspreche ich Ihnen. Ich werde Ihr Vertrauen niemals missbrauchen', beteuerte der Rheinfallschiffer. Indem sie so sprachen, langten sie beim Schiffe an. Mit kräftigen Ruderschlägen ging alsdann die Fahrt rasch hinüber. Ludwig hatte sich in der Hütte verpflegt und freute sich ob der neuen Route, die sich nun oftmals wiederholen sollte. Darauf schwangen sich beide in den Sattel und ritten davon.

'Gute Heimkehr!' rief Adelbert den Davontrabenden zu und 'Auf Wiedersehen' tönte es zurück.


[Goethe Zeichnung ] Am andern Tag sass Adelbert in seiner Hütte am Tisch und stützte seinen Kopf in beide Hände. Es gab ihm zu denken, dass Rosmarie am Abend zuvor, als er den Besuch von Adelheid von Stockar eingehend erzählte, nach Hause gelaufen war. Eine unbegründete Eifersucht musste sie ergriffen haben. Aber Adelberts Eltern fanden nichts Besonderes am Besuche des Fräuleins von Stockar.

'Du wirst schon wissen, was du zu tun hast, Adelbert', sagte sein Vater. 'Zudem wird es nicht vorkommen, dass du dich in ein adeliges Fräulein je verlieben könntest. Dazu besteht keine Gefahr, da Adelheid von Stockar nicht dir zuliebe vom Rosse steigen würde.'

Adelbert war froh, dass kein Besuch kam. Er nahm die Fischerrute und setzte sich ans Ufer, da konnte er seinen Gedanken freien Lauf lassen.

'Wie war das gestern?', sprach er leise vor sich hin. 'Etwas haben wir gemeinsam, Adel'. Ja, das stimmt und eigentlich noch etwas, der Gegensatz zwischen Stadt und Land zog uns gleichsam an, selbst über die hohe Stufe des gesellschaftlichen Unterschiedes hinweg. '

Adelheid lebte in engen Stadtmauern, Adelbert in der freien Natur, ungekünstelt, ohne Etikette, mit edlem Sinn und Liebe zur Natur und zu den Tieren. Das musste wohl Adelheid gefühlt haben, ihr letzter Blick beim Abschied schien dies zu bekräftigen.

Unterdessen hatte ein prächtiger Lachs angebissen, und Adelbert wurde durch den Fang in seinem Grübeln gestört. Er ging zur Hütte und warf ihn in den Fischertrog. Ohne an Rosmarie zu denken, nahm er die Kielfeder und ein Blatt und begann zu schreiben, wie von unsichtbarer Hand geleitet:

"Allergnädigstes Fräulein Adelheid von Stockar!
Ihre hochstehende Persönlichkeit verbietet es mir, einige Zeilen an Sie zu richten, doch meine Niedrigkeit verlangt es von mir, dies dennoch zu tun.
Ihr Besuch hat mich tief beeindruckt, und mein Sinn lässt mich fühlen, dass Sie mich, verzeihen Sie mir den Ausdruck, heimlich lieben, und dies auf den ersten Blick. Ich musste Ihnen diesen Eindruck mitteilen, um mein Herz zu beruhigen, das seit gestern so laut in mir schlägt.
Sollte ich mich in meinem Gefühl geirrt haben, so werde ich mich als Rheinfallschiffer sofort zurückziehen, und man wird nie mehr von mir hören, selbst Bertha von Laufen nicht.
Der Schiffer vom Rheinfall Adelbert'
'Gut, dass ich bei meinen Fischlieferungen ins Kloster Rheinau von einem mir gut gesinnten Mönch das Schreiben gelernt habe', dachte Adelbert.

'Jetzt ist mir wohl', sagte er sich. 'Kommt Adelheid, so kann ich ihr das Schriftstück geben. Ich bin gespannt auf ihr Erscheinen.'

Nun glich der Tag wieder den andern Tagen des Jahres. 'Dich Rosmarie, dich werd ich nie verlassen, du weisst, dass ich dich liebe. Den Ritter Georg, werde ich nicht verdrängen.'


[Zeichung von Labhardt ] Wieder vergingen die Tage. Rosmarie hatte sich am Abend schon entschuldigt. 'Weisst du, Adelbert, es hat mich übernommen, als ich sah, dass so ein adeliges Fräulein deine Zuneigung zu gewinnen suchte. Dein Vater hat mir meine Sorge ausgeredet, und ich will mich fügen.' Damit war der 'Zwist' beendet, doch eine Unruhe blieb in Rosmaries Herzen zurück.

Adelbert sass wiederum in der Hütte auf seinem berühmt gewordenen Posten. 'Die Hitze war unerträglich. Die ' Grillen zirpten. Die wenigen Landleute in der Umgebung waren nicht auf dem Felde. Es war zu heiss. Am liebsten wäre Adelbert zu Hause im kühlen Baumgarten am Rhein im Grase gelegen. 'Es wird doch niemand heute nach dem Schloss hinüber wollen?' dachte er.

Plötzlich unterbrach aber Pferdegetrappel seine Gedanken. Er blickte schlaftrunken durch das Fenster und sah zwei Reiter kommen. 'Bei Gott, das sind ja Adelheid und Ludwig.' Er trat vor die Hütte und begrüsste sie, sich tief verneigend.

Bevor diesmal Rittmeister Ludwig der Herrin Adelheid von Stockar behilflich sein konnte, war Adelbert beigesprungen und hatte ihr das Pferd abgenommen.

'Wie können Sie zu dieser Stunde und bei dieser Hitze auf Besuch kommen? Wollen Sie zu Bertha von Laufen?' redete Adelbert sie an.

'Gewiss', antwortete Adelheid und sah dem Schiffer in die Augen.

'Nicht ohne Grund, sonst wär' ich heute nicht gekommen. Den einen Grund werde ich Ihnen gleich erzählen:

Mein Auserwählter, Ritter Georg vom Schloss Herblingen, war gestern in der Stadt und berichtete meinem Vater, dass Ritter Edgar von Hohenkrähen mit seinen Knechten die Gegend unsicher mache und Schlimmes im Schilde führe. Deshalb bin ich gekommen, um Bertha beizustehen. Er hat einst durch Kuriere um ihre Hand geworben und ihr alles vom Himmel herab versprochen, doch schenkte ihm Bertha von Laufen kein Gehör. Ich habe Angst, mein Rheinfallschiffer, und beeile mich, die Schlossherrschaft zu warnen.'

Als Adelbert die Anrede 'mein Rheinfallschiffer' hörte, griff er in die Tasche, um sich zu überzeugen, dass das Blatt für Adelheid noch darin stecke.

'Gut, dann fahren wir hinüber.'

'Sei wachsam, Ludwig, und lass dich nicht erwischen! ' bat Adelheid ihren Begleiter und setzte sich ohne Furcht in den Nachen.

Dann sah sie, dass Adelbert ein Pergament hervorzog und es ihr mit den Worten übergab: 'Da habe ich ein Schreiben für Sie.' Sie las es und sprach kein Wort, doch ihre Augen glänzten. Tief atmend schaute sie zum nahen Ufer. Zögernd reichte ihr Adelbert die Hand. Er fragte nichts, sie schwiegen. Da kam die Lichtung mit dem Blick zum Fall, zum Regenbogen und zum anderen Ufer. Wiederum stand Adelheid still und atmete tief. Sie schaute hinab, hinüber zum Regenbogen, schaute hinauf in der Bäume Kronen, wo eine Amsel sang und schweigsam wurde. Dies Schweigen brachte das Herz Adelberts fast zum Zerspringen.

Was hatte er getan, war er zu weit gegangen?

Nein! Jetzt brach Adelheid die Stille und sagte betroffen..'Es eilt, mein Rheinfallschiffer, mein Adelbert, Ihr habt mich getroffen, mitten ins Herz.'

Adelheidküsste das Schreiben und verbarg es in der Brusttasche. Dann fuhr sie fort: 'Adelbert, so ist es, ich liebe als Mensch, als Mensch ohne Adelsblut. In Euern Adern fliesst feineres Blut. Bertha hat mir von Euch erzählt, wie Ihr mutig, tapfer, edel und gehorsam seid, ohne Tadel. Das ist es, was ich liebe. Ich erwähle Euch zu meinem Freunde. Hier meine Hand.'

Darauf traten sie aus der Lichtung in den Wald.

'Hier soll ein Geheimnis ruhen für immer. Fortan müsst Ihr zu mir du sagen, und ich nenne Euch Adelbert.'

Gerührt kniete Adelbert nieder, als wollte er beten. Damit entstand zwischen hoch und niedrig eine Freundschaft.

Ich danke dir Adelheid', sagte er, sich erhebend, 'ich danke dir von ganzem Herzen.'

Darauf küssten sich die beiden auf die Hände, und die Lippen schwiegen.

Rasch ging es jetzt bergan im Schatten der Bäume, bis sie vor dem Tor standen, das jetzt der wachsame Hüter öff nete.

Es entging Adelbert nicht, dass im Schloss eine Unruhe herrschte.

Die Pferde stampften im Stall, und die Knechte liefen eifrig hin und her.

Wie gewohnt führte Melchior Adelbert zu Speis und Trank unter den Lindenbaum, während Adelheid sich zu Bertha begab.

'Heute lass ich mir die Speise schmecken', sprach Adelbert, 'So ein Hammen lässt den Gaumen jauchzen, und so ein Wein singt in der Kehle. Ich habe Hunger und Durst wie noch nie in meinem Leben. '

Hinter den Schlossmauern erzählte Adelheid Bertha von dem, was sich vorbereitete und Georg in der Stockarburg erzählt hatte.

'Hab' mir gedacht, der Edgar würde kommen. Wir sind bereit. Die Tore werden doppelt verriegelt, doch sind wir auch auf Hilfe angewiesen, wenn der Ritter uns belagern sollte.'

'Und was macht der Pheinfallschiffer?', wollte Bertha wissen.

'Das ist ein feiner Mensch, ein armer, und wenn man einmal kann, muss man ihm helfen. Ich will dir etwas sagen, Bertha, heimlich liebe ich ihn.'

Da unterbrach Bertha jäh das Gespräch und rief: 'Was seh' ich dort über Feuerthalen am Kohlfirst auf der Strasse? Schau her, Adelheid, siehst du die Staubwolke abwärts sich bewegen? Das sind die Ritter mit den Knechten, die uns hier in Laufen überfallen wollen!'

Bertha rannte in den Hof zu Adelbert.

'Hört, Adelbert, hört, Rheinfallschiffer, hört, Melchior', jammerte sie. 'Ritter kommen, um Laufen mit Gewalt zu erstürmen. Adelbert, beeilt Euch, fahrt mit dem Kahn hinüber zu Ludwig und holt auf dem schnellsten Wege Hilfe. Doch wartet drüben, bis das Horn das Zeichen gibt, wenn es wirklich wahr sein sollte.' Und zu Adelheid gewendet, sagte sie: 'Bleibt hier, die Mauern halten, bis Hilfe kommt. Melchior wird meine Leute an die Scharten stellen.'

Mit blassem Gesicht war Adelheid gefolgt und faltete die Hände:

'Gott sei mit Euch, mein Rheinfallschiffer, nehmt mein Pferd, es ist so schnell wie der Wind. Sarah' ist sein Name, an seiner Seite hängt ein Schwert.'

Adelbert schoss auf und leerte seinen Becher.

'Verlasst Euch auf mich, wir wollen Ordnung schaffen. Macht das Tor nicht auf, man will Euch überrumpeln.' Mit schnellen Schritten verliess er das Schloss, dann wurde die schwere Türe hinter ihm verriegelt. Auf der Lichtung stand Adelbert noch einmal still und gedachte der Stunde, die zuvor ein Geheimnis schmiedete.

Mit schnellen Ruderschlägen setzte der Rheinfallschiffer über zu Ludwig, der erstaunt war, Adelbert allein kommen zu sehen.


[Alter Stich ] 'Komm! Ludwig, lass uns du zueinander sagen, wir sind bald Kampfgenossen.'

Mit diesen Worten entstieg Adelbert dem Kahn.

'So höre zu,' Ludwig, der Hohenkrähener will Laufen überfallen. Sein Tross, Richtung Schloss Laufen, wurde gesehen. Wenn dieser Trupp Einlass begehrt, dann bläst Melchior das Horn, und die kleine Glocke wird geläutet.

Adelheid ist auf dem Schloss in Obhut, ein Einbruch wird nicht so schnell erzwungen.

Wenn er bläst, der Melchior, und die Glocke läutet, dann hör zu: Dann reitest du mit Cäsar' so schnell du kannst, nach Feuerthalen und Langwiesen , alarmierst die wehrhaften Leute und befiehlst ihnen, nach Schloss Laufen zu reiten, ein überfall sei im Gange. Von dort reitest du nach Flurlingen und alarmierst dort auf gleiche Weise.

Ich selbst durchschwimme den Rhein mit Sarah', wie Fräulein Adelheid mir selbst befohlen. Ich alarmiere dann den Untervogt zu Uhwiesen .

Wenn dies getan ist, dann treffen wir uns am Walde auf der Höhe oberhalb Flurlingen und übernehmen die Führung der Leute, die zu Pferd gekommen sind.

Du brauchst dich nicht zu fürchten. Wir werden uns besammeln und die Eindringlinge überraschen. Hast du mich gut verstanden, Ludwig, hast du noch etwas zu fragen?' 'Nein, ich habe dich gut verstanden', entgegnete jener. 'Es geht jetzt um Bertha und um meine Schutzbefohlene, des Ratsherrn Tochter.' 'Ganz meine Meinung - horch! - das Horn und die Glocke! Reich mir die Hand, Ludwig, und viel Glück zu deinem Ritt!'

'Auch dir viel Glück über den Rhein, Sarah' ist ein gutes Tier.'

Die beiden Freunde schwangen sich auf die Pferde und ritten davon, 'Cäsar' in Richtung gegen Norden, 'Sarah' abwärts bis oberhalb des Dörfchens Nohl .

Dort führte Adelbert die 'Sarah' ins seichte Wasser, um sie abzukühlen. Er selbst zog die Stiefel aus, band sie an den Sattel und kühlte sich ebenfalls ab.

Dann ging es los. - Wird es gelingen? Wenn das Rosmarie wüsste, sie würde ihn zurückhalten. Doch schnell, bevor sie uns sieht, ',Sarah' - brr Sarah', brr hinüber. ' Adelbert nahm in eine Hand die Zügel und schwamm in die Fluten. Das Pferd liess sich willig leiten, als ob es wüsste, um was es ging. Die 'Blumen', Gischtzeichen vom Wasserfall herrührend, waren bald durchschwommen und das Ufer war schnell erreicht.

Das Pferd schüttelte sich, Adelbert leerte die Stiefel aus und zog sie an. Dann schwang er sich aufs Pferd und ritt oben an der Halde aus dem Walde hinaus. Vorsichtig zog er eine Schleife südwärts, um vom Schlosse her nicht erspäht zu werden.

Dann ging's in schnellem Trabe nach dem Dorfe Uhwiesen . Im Geiste malte er sich aus, wie es wohl Ludwig ergangen sein möchte.

Im ersten Haus mit dem steinernen Treppengiebel wohnte der Vogt. Dort sprang er zur Türe und läutete. Ein Pförtner fragte an der Luke, was los sei.

'Ruft schnell den Vogt, es droht Gefahr!' Als dieser kam, erklärte ihm Adelbert die Not, in der sich seine und des Vogts Herrin befand. 'Ist gut', sprach der Vogt, 'ich werde meine Leute aufbieten. '

'Ich danke schön', sprach Adelbert, 'ich reite noch nach Flurlingen , um Hilfe zu holen. Ein Bote ist auch unterwegs nach Feuerthalen und Langwiesen .'

Adelbert schwang sich auf 'Sarah' und ritt davon. Am Brunnen trank sie begierig Wasser. Er selbst hatte keinen Durst, er litt nur unter der Sorge, zu spät zu kommen. Bald aber hatte er das Dörfchen am Rhein erreicht und alarmierte die Bürger.

Auf der Höhe der Strasse, die von Feuerthalen über den Berg kommt, traf er mit Ludwig zusammen.

'Wie ging es dir, Ludwig?' fragte er hastig.

'Hab's gut getroffen', lautete die Antwort. 'Im Adler' fand ich die Knechte. Die Vorspann-Pferde waren zufällig alle wegen der Hitze noch im Stall.

Sie werden jetzt gesattelt. Ich sagte noch, wir würden uns zwischen Uhwiesen und Laufen besammeln. '

Unterdessen war der Herr von Hohenkrähen vor dem Schloss erschienen. Zehn Pferde standen im Schatten. Vorsorglich waren die Ritter und die Knechte nicht abgestiegen. Mit brennenden Pfeilen schossen sie über die Mauer, um das Schloss in Brand zu schiessen. Fast einmal wäre es gelungen, wenn nicht Melchiors Leute mit Wasserkübeln hätten löschen können.

'Achtung, meine Bürger und Untertanen', rief jetzt der Vogt von Uhwiesen , 'wir sind unser 18 Reiter, wir sprengen los und stürzen uns auf den Feind.'

Er erhob das Schwert und ritt voraus.

Im Nu war die Reiterschar beim Schlosse. Hurrarufe erschollen. 'Geht zurück oder ihr lernt uns kennen!'

Überrascht stoben die fremden Ritter davon, auf den einen Ausweg zu gegen Süden. Edgar von Hohenkrähen war an den Pfauenfedern und Straussenbüscheln zu erkennen. Die Überraschung war gelungen.

Adelbert verfolgte mit 'Sarah' einen fluchenden Reisigen und spaltete ihm den Schild.

Bertha war befreit und Adelheid gerettet. Das Tor öffnete sich. Die Retter hielten Einzug. Fortwährend kamen noch einzelne Landleute zu Fuss, die Hilfe leisten wollten. jetzt trat Bertha in den Hof und lud alle Helfer in den grossen Rittersaal zu Speise und Trank.

Adelbert erhielt mit Ludwig den Ehrenplatz beim Schlossfräulein und Adelheid bewunderte den Helden, dem die Rettung zu verdanken war.

Nun erhob Bertha von Laufen in heiterer Laune das Glas und sprach: 'Euch Helfergemeinden schenke ich den Kohlfirst-Wald zu gleichen Teilen.' Grosser Jubel!

Darauf begab sich Adelheid auf den Heimweg, glücklich über das Geheimnis ihrer Liebe und die Rettung. Die Helfer von Feuerthalen und Flurlingen gaben Adelheid und Ludwig das Geleite bis zur Brücke von Schaffhausen .

Der Abschied von Adelheid war kurz. Ihre Augen sagten: 'Auf Wiedersehen!'

Als guter Schwimmer überquerte Adelbert nochmals den Rhein, holte eilends den Kahn und fuhr nach seinem Dörfchen Nohl .

Rosmarie sass mit 'Benno' am Ufer und erwartete ihn. 'Du bist so nass', sprach sie, 'was ist geschehen?'

'Komm mit mir hinauf zu meinen Eltern, da will ich erzählen, was vorgefallen ist.'


[Lachsfischfang ] Und wiederum sass anderntags Adelbert in seiner Hütte und knüpfte Netze. Die Fänge waren gut bei dieser Hitze, und so zerrissen oftmals die Netze ob der schweren Last. Seine Gedanken gingen im Kreis herum. Sie begannen zu Hause und endigten bei -?

Nach seinen Schilderungen vom überfall auf das Schloss und von der wunderbaren Rettung durch ihn und Ludwig schien Rosmarie ins Leere zu versinken. Sie glaubte, Adelbert als Helden an Adelheid zu verlieren und fühlte sich verlassen. Sie ahnte die Verehrung des Fräuleins von Stockar, doch Adelbert wehrte diesen Argwohn entschieden ab. Seine Eltern waren stolz auf ihren Sohn und hofften, dass er Nutzen daraus ziehen werde.

Von zu Hause flohen seine Gedanken zum Schloss hinüber. Es war gewiss, wenn Bertha von Laufen von den Belagerern in Gefahr gekommen wäre, so hätte sie sich durch einen Todessturz über die Felsen den Fängen des Rauhritters entzogen. 'Mich wundert's', dachte er, 'wie Bertha mich belohnen wird, wie sie mir einst angedeutet hat.' Und weiter eilten die Gedanken nach Schaffhausen zu seiner Adelheid.

Er stellte sich vor, dass Adelheid von der Belagerung und der Errettung ihrem Vater genau Bericht erstatten werde. Zudem werde Ludwig berichten, wie klug und mutig er vorgegangen sei.

Auch der Ratsherr werde eine Belohnung seiner Tochter wegen in Erwägung ziehen.

Alle diese Gedanken beschäftigten ihn jetzt, und er wünschte sich sehnlichst, dies bald zu wissen.

Er sollte nicht lange darauf warten müssen.

Am Nachmittag schon traf Adelheid mit Ludwig bei seiner Hütte ein, und 'Sarah' wieherte, als sie den heldenhaften Reiter wieder vor sich sah.

Die Begrüssung war herzlich, und der Rheinfallschiffer bat Adelheid und Ludwig, in seiner Hütte Platz zu nehmen. 'Ich kann Euch nichts anbieten, wie Ritter Georg auf seinem Schloss', fuhr Adelbert fort, 'doch erlabt Euch an meinem Wein, an meinem Brot und an meinen geräucherten Lachsen.' Die Gäste bedankten sich, und Adelheid erkundigte sich, wie Adelbert nach Hause gekommen sei. Auch wollte sie wissen, wie seine Angehörigen und Rosmarie den überfall aufgenommen hätten.

'Mein Vater', sagte sie dann, 'hat mich beauftragt, dir zu danken, er sei bereit, wenn sich Gelegenheit biete, sich für den Rheinfallschiffer zu verwenden.'

Adelbert dankte für diese Mitteilung.

'Und weiter kann ich dir verraten', ergänzte Adelheid, 'aud, Ludwig wird von meinem Vater gut entschädigt. Die Stadtväter haben Kunde erhalten von dem tapferen Auftreten der Landleute ennet dem Rhein, und ihr zwei seid berühmt geworden. Doch nun ist es Zeit, Bertha von Laufen zu besuchen, sie wird gewiss auf meinen Besuch warten.' So Adelheid.

'Ich bleibe in der Hütte hier', meinte Ludwig, 'bei Schwert und Morgenstern, falls sich ein Racheakt vollziehen sollte.'

Adelheid und Adelbert bestiegen den Nachen und fuhren in die Wellen.

'Na, endlich du auf du, mein Rheinfallschiffer, immer wenn wir allein sind, ist es herrlich, du zu sagen. Wie gut hast du's, Adelbert, die Liebe frei zu wählen, nicht eingeklemmt zu sein im Adelsstand, frei, so wie wir jetzt frei sind. Doch stets hat diese Freiheit ein Ende, wenn wir uns, verlassen müssen.'

Sie hatten das Ufer erreicht, als wäre der Rhein wie ein stiller See zu befahren, so tief und hoffnungsvoll war das Gespräch für Adelbert.

Langsam stiegen sie den Weg aufwärts zu der Lichtung, auf der ein Wunsch in Erfüllung gehen sollte: Adelheid stand still, ergriff des Schiffers Hände und sprach: 'Hier an dieser Stätte hat sich mein Herz für dich bewegt. Doch kann ich, mein Lieber, nicht mehr kommen. Mein Vater hat einen Argwohn gegen mich, dass du mir mehr wirst sein als Georg. Doch diesen Argwohn habe ich ihm ausgeredet, wie ich ihm von der Heldentat erzählte, die du vollbracht hast.

Auch was Bertha über dich erzählte, machte ihn sorgenfrei. Nun aber habe ich weiter schon an dich gedacht, um dich je und je zu sehen, Adelbert, denn deine Nähe ist mir Ersatz für deinen Besitz. Weisst du, was ich. vorhabe? '

'Wie sollte ich das wissen? Ich kann nicht anders, als es als Geschenk des Himmels anzunehmen, ein Adelsblut zu lieben. Ich bin bereit, alles, was du mir vorschlägst, anzunehmen.'

'So höre zu', fuhr sie fort, 'auf des Munots Turme soll über Winter der Wächter wegen Krankheit abgelöst werden. Da die Schiffahrt vom Oktober bis im Frühjahr eingestellt wird, könntest du diesen Posten übernehmen. Mein Vater wäre damit einverstanden.

So würdest du mich erstens heimlich öfters wiedersehen, und zweitens würdest du als Wächter gut bezahlt. Ich werde innerhalb der Stadtmauern allein ausgehen und dich so oft besuchen können, wie es mir passt.

Auch nehme ich an, dass du zu Hause keinem Widerstand begegnen wirst, denn Rosmarie wird froh sein um das Geld, das ihr die Heirat näherbringt. Sollte dir später Rosmarie einen Jungen schenken, fürwahr, so will ich für alles, was du mir bist, die Taufpatin sein, um dich immer wieder sehen zu können.

Und nun, was sagst du, mein Rheinfallschiffer?'

'Ich traue meinen Sinnen kaum, liebe Adelheid ', antwortete Adelbert. 'Doch sage ich ja. Ich bin nicht gewohnt, lange zu erwägen. Nur eine Bitte sei mir erlaubt: Als Dank des Herzens will ich dich auf die roten Wangen küssen.

Und eine andere: Komm niemals auf den Munot mit dem Ritter Georg, ich könnte es nicht ertragen. '

Stumm begaben sie sich alsdann zu Bertha. Der Empfang war herzlich.

Melchior bewirtete die Gäste aufs beste, und Bertha erfuhr von dem Vorschlag, Adelbert über den Winter auf dem Munot zu beschäftigen. Unter vier Augen erfuhr sie auch, dass ihre Freundin Adelheid Adelbert heimlich liebe. 'Aber im Frühjahr, Adelbert, geht's wieder an die Ruder, nicht wahr?'

'Gewiss, gnädigstes Fräulein, ich werde wieder kommen.' Ludwig schlief in der Hütte am Tisch, als Adelbert mit Adelheid zurückkam. Die Pferde stampften und begehrten Heimkehr.

'Er hat natürlich schlecht geschlafen gestern nacht, begreiflich', sagte Adelheid, 'er hat den Sieg begossen, was ich sonst niemals von ihm sagen kann.'

Ludwig erschrak aus dem Schlaf, als er die Stimme hörte. 'Verzeihung, dass der Schlaf mich übernommen hat, gleich werde ich kommen.'

Beim Abschied erfuhr Adelbert noch, dass ein Kurier die Urkunde als Munotwächter überbringen werde.

Dann ritten sie munter von dannen.

Adelbert brach frühzeitig auf nach Hause, er wendete den Kahn in ein seltsam neues Leben.


[Kupferstich] Allmählich wurden die Tage kürzer und die Schatten dehnten sich. Die Besucher auf Schloss Laufen wurden immer seltener, und Adelbert frönte dem Fischfang.

Heute war ein grauer, nebliger Tag. Er sass in der Hütte und sehnte sich nach dem Tage, da er auf dem Munot als Hochwächter anzutreten hatte. Er sehnte sich ebensosehr nach Adelheid, nach seinem stillen Glück. Die Erinnerungen an das adelige Fräulein weckten in ihm Kraft, Mut und Lebensfreude.

Zu Hause war die Freude nicht so gross. Die Eltern hätten Adelbert im Winter für Holzerarbeit in der Gemeinde und auf dem Heim benötigt und wären glücklich gewesen, ihren einzigen Sohn unter Dach zu haben.

Noch schlimmer erging es Rosmarie, sie konnte es nicht fassen, ihren geliebten Adelbert so fern zu wissen. Dazu quälte sie die Eifersucht gegen das Fräulein von Stockar. Es war Rosmarie nicht entgangen, dass Adelbert diese Stelle nur wegen Adelheid annahm.

Adelbert machte Feuer im Ofen und gönnte sich ein wenig Ruhe.

'Da schau her', blitzte es durch ihn, 'ist das nur möglich? Der Ludwig kommt bei diesem Wetter'. Schon war er abgesprungen und begrüsste ihn umarmend.

'Wie geht es dir? Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. '

'Ach, langweilig wird das Leben hier, und ich freue mich, dass die Zeit so nahe ist, auf den Munot zu ziehen.'

'Das ist ja gut', sprach Ludwig, 'deshalb bin ich hierher gekommen. Adelheid lässt dich herzlich grüssen; unter uns gesagt, man könnte glauben, sie liebt dich. Zu Hause kann ich immer wieder vernehmen, wenn sie in des Ratsherrn Stube ist, dass sie von dir redet und mit dem Vater Reibereien wegen Ritter Georg hat.'

'Mach doch keine Scherze', lachte jener, 'du wirst doch nicht glauben wollen, dass ein adeliges Fräulein einen armen Rheinfallschiffer lieben kann. Und würde es doch so sein, dann um so besser, wenn man nichts davon merkt. Jetzt etwas anderes.' Ludwig zog ein Pergament hervor und gab es Adelbert.

'Das musst du vor mir lesen und dann unterschreiben, es ist die Urkunde des Rates von Schaffhausen , der dich als Munotwächter einstellt. Und was nicht darin steht, sage ich dir gleich anschliessend.'

Adelbert öffnete die Rolle und las:

'Der Grosse Rat zu Schaffhausen hat als Munotwächter Adelbert Mändli, zur Zeit Rheinfallschiffer beim Edelfräulein Bertha von Laufen, bestellt.
Er hat seinen Posten am 1. Oktober anzutreten und bezieht einen monatlichen Lohn und einen freien Tag. Dem Wächter sind folgende Aufgaben übertragen:
Die Aufsicht über alles Geschehen, was aus der runden Turmwohnung zu erspähen ist.
Das Sturmläuten bei Feindsgefahr (ununterbrochenes Ziehen der grossen Glocke).
Das Anschlagen der kleinen Glocke bei Eintreffen der Frachtschiffe auf dem Rhein.
Das Sturmläuten und Heraushängen der roten Talglaterne bei Feuersbrunst in der Nacht in der Richtung, wo es brennt.
Das Läuten der Munotglocke - hundert Züge abends um 9 Uhr zum Zeichen, dass die Stadttore, die Herbergen und Wirtschaften geschlossen werden. Das Verhindern des Zutritts ohne den Ausweis mit Siegel und Unterschrift, wie hier auf der Urkunde festgelegt ist.
Verbot, Angehörige zu Besuch zu empfangen.
Der Munotwächter: gez. Adelbert Mändli von Nohl
gez. für den Grossen Rat der Stadt Schaffhausen Philipp von Stockar, Ratsherr'
'Hast du es verstanden?' 'Jawohl', lautete die Antwort. Adelbert bemühte sich, eine leserliche Unterschrift zu schreiben. Er fragte: ' Was hast du mir nun noch zu sagen? ' 'Das ist bald gesagt', erwiderte Ludwig: 'Ich bin der Mann, der dich ablösen wird, wenn du frei hast. Ist dir das recht?'

'Das ist ja ganz erfreulich, Ludwig.' Und Ludwig fuhr fort: 'Am 1. Oktober sprichst du zur Morgenstunde etwa um neun Uhr beim Ratsherrn vor. Er will dich sehen und dir den zweiten Schlüssel übergeben. Ich selbst werde mit dir zum Munotwächter gehen, der, wie du weisst, kränklich ist.'

Hierauf nahmen sie noch etwas Speise und Trank zu sich, plauderten von vergangenen Tagen und verabschiedeten sich.

Adelbert sann nach, wie es ihm wohl ergehen werde so allein auf dem hohen Turme, gleich einem Gefangenen, und dazu noch einem Gefangenen der Liebe.


[Photo von M. Baumann] Eine zweite gleichlautende Urkunde steckte Adelbert in seine Brusttasche. Er verzichtete darauf, das Pergament zu Hause vorzuzeigen, um nicht unnötige Gespräche heraufzubeschwören.

Bald war der 1. Oktober da.

Adelbert stand bereit, als Ludwig mit 'Cäsar' und 'Sarah' im Geleit angeritten kam. Ein Bündel Wäsche überm Rücken, eine Mundportion im Leinenbeutel, so stieg der Rheinfallschiffer auf sein ihm wohlvertrautes Pferd. Ludwig wich etwas aus, als er sah, wie Adelberts Eltern und Rosmarie mit Tränen in den Augen Abschied nahmen.

'Auf Wiedersehen, meine Lieben, und auf Wiedersehen, Rosmarie! ', rief Adelbert, und fort war er.

Im Nu waren die beiden Freunde dem kleinen Fischerdörfchen entschwunden. Ringsum fielen schon die Herbstblätter. Adelbert trat etwas schüchtern, doch aufmerksam in des Ratsherrn von Stockars Stube. Dieser trat auf ihn zu und bat ihn, Platz zu nehmen.

'Es freut mich, Adelbert', begann er väterlich, 'Euch als Munotwächter begrüssen zu dürfen, dies um so mehr, als der Grosse Rat gerne gewillt war, die Wahl auf Euch zu richten, den Helden von Laufen, dem die Errettung von unserm Edelfräulein Bertha von Laufen und auch meiner Tochter zu verdanken ist.

Tatsächlich muss ich feststellen, dass Ihr ein Mann seid, der entschlossen ist, sich für andere einzusetzen. Hier sind die Schlüssel für die Festung, junger Munotwächter. Mein treuer Ludwig wird Euch nun zum Turme führen. Ich wünsche Euch viel Glück auch ohne Kahn und Wellenrauschen. '

'Ich danke Ihnen, gnädiger Herr', lautete Adelberts Antwort, 'ich will versuchen, mein Bestes zu geben, um Stadt und Leute vor allem Ungemach zu behüten, Alsdann verliess Adelbert mit Ludwig des Ratsherrn Stube. Unten seitwärts der Treppe erschien Adelheid und bemerkte herzlich: 'Ich komme dann zu dir hinauf, so schnell als möglich. ' Der Weg von der Stockarburg zum Munot war nicht weit. 'So, da sind wir, Adelbert', nahm jetzt Ludwig wieder das Wort, 'nimm den ersten Schlüssel, er ist für das Tor in der untern Stadt.'

Dann ging der Weg aufwärts durch die Rebenhalde, links und rechts flankiert von den Mauern mit den Wehrgängen. 'Und jetzt sind wir beim Turme, nun nimm den zweiten Schlüssel', befahl Ludwig. 'Was hast du denn? Lässt sich das Schloss nicht öffnen?'

'Es geht nicht', entgegnete Adelbert, der trotz seines ganzen Kraftaufwandes das Schloss nicht aufbrachte.

'Das wusste ich schon', meinte Ludwig verschmitzt, 'denn weisst du, hier muss man dem Wächter läuten, hier an dieser Kette musst du ziehen, dann läutet die Glocke. Zieh einmal, Adelbert!' Adelbert zog. 'Nun schau hinauf, siehst du, dort guckt der Wächter heraus, und gleich wird er herunterkommen, um zu öffnen! So wirst auch du das Tor öffnen müssen. Wenn die Glocke läutet, musst du immer den Ausweis des Rates verlangen. Angst brauchst du keine zu haben, doch es ist so vorgeschrieben. Du weisst, ohne das Untertor zu öffnen, kommt kein Unbefugter hier hinauf.'

Adelbert war ~canz benommen, so hatte er sich die Munotfestung nicht vorgestellt.

Der Munotwächter öffnete inzwischen das Tor und hiess den neuen Wächter willkommen.

Den Wendelgang ging es hinauf zu Adelberts Wachtstube. Nach einem Rundgang durch die Kasematten und die Wehrgänge fand die übergabe in des Wächters Wohnung statt.

Tief beeindruckt nahm Adelbert Abschied von dem alten Munotwächter, mit dem auch Ludwig, nach besonderen Erläuterungen, den hohen Turm verliess.

'Jetzt bin ich allein', sagte sich Adelbert, 'von Menschen ganz geschieden. Ich schau hinaus nach Süden, West und Norden. Von Osten her, da naht ein Schiff, beladen wohl mit Salz. Was nun? Ach ja, ich schlage an die Glocke, die kleine. Bald seh ich Menschen unten in der Tiefe, die kommen aus den Häusern, da und dort wohl aus den Wirtshäusern. Sie gehen an das Ufer des Rheins und hin zum Schiffe, es sind wohl die Auslader.

Und dann, habe ich Hunger, so bietet eine Vorratskammer mir mehr als genug.

Das ist mein Anfang, noch nicht das Ende. Ein Trost für mich, dass Ludwig alle Tage einmal kommt, um zu sehen, ob ich noch lebe, und um mir Milch und Brot zu bringen und was ich sonst noch nötig habe.

Ach, diese Einsamkeit!

Nur eines ist's, was mich beruhigt, dort hinter jenem hohen Turme, nicht weit oberhalb der Kirche zu St. Johann, da schlägt ein Herz für mich, das Herz der Adelheid. Mir ist's, ich höre es pochen. Hörst du auch meines?, hätte ich sie fragen wollen.

Ich weiss einen Ausweg in dieser Einsamkeit, der Ausweg muss mir helfen, die langen Tage und die Stunden zu ertragen: Ich mache Verse über mein angeträumtes Glück, denn das Liebesglück mit Adelheid ist nur ein Traum.'

MEIN TRAUM VOM GLÜCK
Es liegt ein Traum in meinem Glauben,
Ein Traum von Liebe und von Glück.
Kein Mensch kann diese Liebe rauben,
Sonst kehr ich nach dem Rhein zurück.

Wo ist die Zeit, da wir begonnen,
Ein heimlich zartes Liebesglück?
Ich hab verloren, hab gewonnen,
In meinem Leben Stück um Stück.

Denk an den Schiffer, wie verloren
Er jetzt auf seinem Turme sitzt.
Komm, Adelheid, wie neu geboren
Bin ich, wenn sich mein Blut erhitzt.
Adelbert
Ich glaube, die Verse sind nicht schlecht. Die geh ich Adelheid, sie wird gewiss bald hier hinaufkommen, ich weiss und fühle es. jawohl, Adelheid, mein Blut erhitzt sich bei deiner Nähe, ich kriege einen heissen Kopf, aber der hat hier oben Zeit, sich abzukühlen.'

Die Dichtung nahm Adelbert sehr in Anspruch, die Gewichtsuhr an der Wand rückte gegen 9 Uhr. Adelbert stand mit äusserster Spannung da, um die Munotglocke zu läuten.

'Wie wird das wohl gelingen?'

Als der neunte Schlag verklungen war, begann er zu ziehen - einhundertmal. Es gelang ihm, Gott sei Dank.

Die Glockenklänge drangen hinab in die Stadt und mahnten die Menschen zur Ruhe.

Auch Adelheid horchte. Ihr war, als spräche Adelbert zu ihr: 'Kömm doch hinauf zu deinem Rheinfallschiffer, hier bei mir ist eine Lichtung ohne das Getöse der Rheinfallstürze. Hier ist eine Lichtung mit Blick auf deine Heimat, auf deine Vaterstadt, die ich bewache.'

Dann legte sich Adelbert zur Ruhe. Obwohl allein, brauchte er weder Schwert noch Hellebarde, es kann niemand hinein in diese starke Festung. Verwirrt schlief er ein, nicht ohne vorher noch rundherum den Wächterblick getan zu haben.

Er träumte von Adelheid, von Rosmarie, vom Elternhause.


[Alte Luftaufnahme ] 'Morgen', sagte Ludwig, der täglich um das Wohl des Wächters besorgt war, 'kommt Adelheid zu dir. Nur dass du gefasst bist, ich glaube, sie liebt dich, so wie sie dich lieben kann, heimlich mit Bewunderung.'

'Gewiss, das weiss ich und bin glücklich, dass du von dieser Sache weisst.'

'Und gut ist's', sprach Ludwig, 'dass ich darum weiss, ich muss Adelheid die Schlüssel für den Munot geben, dass sie dich besuchen kann, das braucht für mich ein bisschen Mut, verstehst du, Freund, wenn dies der Ratsherr wüsste. 'Adelbert freute sich auf den Besuch und konnte ihn kaum erwarten.

Was wohl Adelheid zu seinen Versen sagen würde?

Und kaum gedacht, da läutete die Glocke. Sein Blick in die Tiefe erkannte Adelheid.

Schnell rannte er den Gang hinunter, um zu öffnen. 'Endlich bei mir', begrüsste sie Adelbert, 'du kommst mir vor wie ein Engel, der mir in meine Einsamkeit Leben bringt. ' Im Turme oben angelangt, streichelten sich die zwei Menschenkinder des verschiedenen Blutes sanft die Haare und küssten sich auf die Wangen.

Adelbert überreichte Adelheid seine Verse.

'Hier nimm das Blatt von mir, und findest du Gefallen, dann werde ich solche Verse neu beginnen hier oben', redete er sie an.

'Ich sitze ja hier wie ein Gefangener. Ohne unsere heimliche, göttliche Liebe wäre ich wirklich nicht hier hinauf gekommen, und ich hoffe, dass wir im Frühling, wenn ich wieder abgelöst werde, einen neuen Weg für unser öfteres Zusammentreffen finden werden, es sei denn, Ritter Georg hole dich in seine Mauern. '


[Munot zu Schaffhausen ] Am ersten Freitag erschien Ludwig frühzeitig zur Ablösung. 'Du musst bei meinem Herrn den Lohn abholen, er wird dir dank deiner vorzüglichen Arbeit als Munotwächter dein Lieblingspferd, ich sage ausdrücklich dein 'Lieblingspferd', die Sarah', überlassen, damit du nach Hause reiten kannst. Um 5 Uhr musst du mich ablösen. Viel Glück, Adelbert, und auf Wiedersehen!'

Adelbert begab sich klopfenden Herzens in die Sto&arburg. Adelheid führte ihn zu ihrem Vater und dankte für die schönen Verse, die sie ewig aufbewahren wolle.

'Pass auf', flüsterte sie ihm zu, 'dass der Ratsherr nichts von unseren Heimlichkeiten merkt, er ist hellhörig und klug.' Alsdann zählte der Ratsherr Adelbert den Lohn vor und hiess ihn unterschreiben.

'Wir sind zufrieden mit Euch, Rheinfallschiffer, und wie gefällt es Euch?', wollte von Stockar wissen.

'Von der Leber weg gesprochen, ich tue meine Pflicht, doch habe ich Heimweh nach dem Rheinf all.'

'Ja, das verstehe ich, mein junger Held', entgegnete jener. 'Hat Ludwig Euch gesagt, dass Ihr das Pferd der Adelheid zu einem Ritt ins Nohl benützen dürft? '

'Jawohl', lautete die Antwort, 'ich danke Ihnen herzlich. ' Der Lohn war recht. Zu Hause traf er auch Rosmarie.

Die Zeit verging schnell. Doch waren seine Leute zufrieden, dass er wieder einmal gekommen war. Auch Rosmarie beruhigte sich, sie glaubte Adelbert auf seinem Turme sicher vor jedem weiblichen Zutritt. Auch steckte ihr Adelbert 10 Gulden in die Tasche für den Hochzeitsstrumpf, wie er lachend erwähnte.

Auf der Rückkehr begann es wild zu schneien; ein früher Winter stand bevor.

Auf Silvester wollte er wieder kommen, aber auch Adelheid liess er nicht aus dem Sinn, auch nach ihr plagte ihn die Sehnsucht.

Da läutete die Glocke: Adelheid stand unten.

'Ach wie herrlich, dass du kommst, fast wäre ich in dieser Einsiedelei krank geworden. Komm schnell in meine warme Stube! '

Schneeflocken lagen noch auf ihren blonden Locken, und draussen tanzten sie auf den Dächern und bedeckten das ganze Land mit winterlichem Glanz.

'Ich habe dir etwas zum Weihnachtsfeste gebracht', sprach sie. 'Hier ein Glas Wein von der Munothalde und hier ein Schinken und zum Gedenken ein Herz', von mir selber gebacken. Denk immer daran, dass du nicht allein bist hier oben; bei Tag und Nacht bin ich in Gedanken bei dir.'

Überrascht nahm Adelbert die Geschenke in Empfang und umarmte Adelheid.

'Ich kann dir zum Weihnachtsfest nichts anderes als einige Verse schenken, die ich in meiner Einsamkeit für dich geschrieben habe. Du siehst, auch meine Gedanken sind immer bei dir.'

Damit überreichte er ihr ein Gedicht und sprach-. 'Nimm es in deine Kammer, dort ist der Platz für Freude, Leid und Kummer!' Errötend nahm sie das Gedicht entgegen. Der Ratsherr wusste nichts von ihrer heimlichen Liebe.

'Hier, Vater, habe ich schöne Fische', erzählte sie eines Tages, 'sie sind von Rosmarie, der Braut des Rheinfallschiffers. Ich war auf dem Fischmarkt und habe sie bei Rosmarie gekauft, ich habe sie dort zufällig kennengelernt.'

'Ist's eine nette Tochter, diese Rosmarie?', wollte beiläufig der Ratsherr wissen.

'Gewiss, ich kann den Wächter auf dem Munot wohl verstehen, dass er das Mädchen liebt.'

In ihrem Kämmerlein las sie dann:

Ach komm zu mir in diesen Tagen,
Bevor mein Glück zu Ende geht.
In Deinen Augen seh ich Fragen,
Die Antwort hat der Wind verweht.

Ach bleib bei mir Dein ganzes Leben
Und wohn in meinem Herzensgrund.
Ein Quell der Liebe soll es geben,
Doch schweigen muss Dein roter Mund.

Und läuten einst die Hochzeitsglocken
Für Dich und mich, fällt dieses schwer,
So küss ich Deine blonden Locken,
So lang der Rhein fliesst bis zum Meer.

Wer weiss, ob uns dann solche Stunden
Auch noch einmal beschieden sind!
Zwei Herzen haben sich gefunden,
Mein Edelblut für's Adelkind.
Dein heimlich Dich ewig liebender Adelbert
Adelheid zerfloss in Tränen und befeuchtete damit das Gedicht. Sie schloss es behutsam in ihre Silbertruhe ein. Sie war glücklich, in der Stadt einen Menschen zu wissen, der nichts begehrte, als geliebt zu werden.

Und wieder zog der Frühling ins Land. Die Ablösung auf dem Munot stand bevor. Traurig blickte Adelbert in die Stadt hinunter.

Ludwig hatte ihm verraten, dass Georg von Herblingen zu einer Heirat mit Adelheid dränge. Er schien viel von dem heldenhaften Rheinfallschiffer gehört zu haben und wollte Adelheid heimholen, bevor es zu spät war.

Da läutete eines Tages die Einlassglocke. Unbemerkt standen Adelheid und Ritter Georg vor der Türe. Adelberts Blut stockte fast, doch fasste er sich wieder.

Verächtlichen Blickes schritt Georg mit Adelheid an Adelbert vorüber auf die Zinne.

In Adelbert rauschte das Blut wie die tosenden Rheinfallwellen, und wie ein Panther sah er von seiner Deckung aus dem 'Liebespaare' nach. Da beobachtete er, wie Ritter Georg über die Zinne lehnte und Adelheid aus Eifersucht beinahe zu Tode küsste. In diesem Augenblick schlug die Munotglocke und zersprang.

Entsetzt liess der Ritter los und verschwand mit Adelheid in grosser Hast. Adelbert rann der Schweiss von der Stirne. War es möglich, dass Adelheid ihm die Treue brechen konnte? Er konnte ihren Treubruch nicht verstehen.

Niemals hätte er gedacht, dass sie ihr Wort brechen und mit Georg auf den Munot kommen würde. Fort von hier, fort für alle Zeiten! rief eine Stimme in ihm. Dann fiel er hin.

Kurz vor neun erwachte er und läutete das Glöcklein. Aber wie traurig klang es in die Nacht hinaus! Es war zersprungen. -

In der Stockarburg horchte Ratsherr von Stockar auf. Hatte er nicht vor kurzem Ritter Georg von Herblingen die Tür für immer gewiesen? Und jetzt soll er mit Adelheid auf dem Munot gewesen sein?

Höhnisch hatte Georg erklärt, dass er bereue, den Ratsherrn vor dem Erscheinen des Raubritters von Hohenkrähen gewarnt zu haben! Er sei ein Freund von Edgar von Hohenkrähen und billige seine Taten.

'Hinaus, du Verräter, hinaus aus dieser Stube!' hatte der Ratsherr geschrien. Wie aber geschah es, dass er wieder kam? - Und jetzt sass Adelheid bleich in der Ecke.

'Gott sei Dank, mein lieber Vater, hast du die Einsicht bekommen, dass dieser Ritter nicht bei dir um meine Hand werben darf. Er wollte ja die Stadt vom Norden her überfallen.'

'Und nun, mein liebes Kind', tröstete er, 'morgen soll Ludwig den tapferen Wächter zu mir rufen. Mir scheint, ich müsse dem Grossen Rate über die zersprungene Glocke schnellstens Auskunft geben. Geh und hole mir den Munotwart! '

Am anderen Morgen läutete frühzeitig die Einlassglocke am Munot. Adelbert hatte nicht geschlafen, er wollte fort, heute noch, zu seiner Rosmarie.

Er öffnete das Tor, sah Adelheid und erschrak. 'Was willst du noch hier, hast du bei mir noch etwas verloren?' 'Ja', gab sie zur Antwort, 'mein Herz, mein armes Herz, das habe ich an dich verloren und es wird dir gehören für alle Zeiten.'

Adelbert wich zurück, seine Fassung versagte. Adelheid griff nach, seiner Hand und richtete den Auftrag aus.

'Ich komme im Auftrage meines Vaters', sprach sie, 'du musst zu ihm kommen, er will dich fragen, was mit der Glocke geschehen soll.

Und dann, Adelbert, habe ich dir noch Wichtiges zu sagen. Ludwig hätte dich benachrichtigen sollen, doch er überliess die Aufgabe mir. Ich treffe ihn unten hier am Wege, und er wird dich ablösen, damit du zu meinem Vater kommen kannst. '

Was hatte sie ihm noch weiter zu sagen? Sie ergriff seine Hände und sagte:

'Ich bin frei, Adelbert, Ritter Georg hat mich gezwungen, auf den Munot zu kommen und, wie du gesehen hast, aus Eifersucht. Nun, ich wusste um mein Versprechen und kam mit ihm in Streit. In seiner Wut ging er zu meinem Vater und sagte, dass er ein Freund sei von Edgar von Hohenkrähen, den du einmal am Rheinfallufer in die Flucht jagtest. Alsdann hat mein Vater Ritter Georg unser Haus verboten und ihm in Zukunft den Eintritt in die Stadt untersagt. Damit bin ich ganz dein.'

'Liebe Adelheid, ja so ist die Sache, nun lieb' ich dich noch mehr als vorher.'

'Und noch eines', fuhr sie fort, 'nie werde ich heiraten und vom Glück deiner reinen Liebe zehren bis an mein Ende.'

In der Stockarburg empfing Adelbert vom Ratsherrn die Aufforderung, sich sets bei ihm zu melden, wenn ihm etwas mangeln sollte.

'Meine Tochter wird Euch im Angedenken behalten', sprach er, 'wie wir alle in der Stube des Rates. Die Glocke, die bleibt bestehen, so wie sie ist. Sie wird einst berühmt werden durch den eigenartigen Ton, den sie durch den Sprung erhalten hat. Wie ist es denn eigentlich dazu gekommen, dass sie sprang?', wollte er noch wissen.

'Ganz einfach', antwortete Adelbert, 'ich zog zu fest an ihrem Strang! '

Noch einmal stieg Adelbert hinauf zum Munot und läutete um neun Uhr die Glocke, zweihundert Schläge diesmal, dem Abschied zu Ehren.

Anderntags übernahm der alte Hochwächter wie vor Jahren wieder die Wacht am Rhein.

Die Freude war gross im Elternhause, als der Sohn heimkehrte. 'Benno' winselte und schnupperte am Munotwächter und streckte seine Pfote zum Grusse. Rosmaries Augen strahlten wie schon lange nicht mehr, denn das Glück stand nahe. Nach schlaflosen Nächten, nach Zweifel und Sehnsucht war sie endlich der Liebe ihres Adelbert gewiss.

Am 1. Mai übernahm Adelbert wiederum das Amt des Rheinfallschiffers. Die Stürme der heimlichen Liebe hatten sich gelegt.

In der Mitte des Wonnemonats Mai fuhr ein Schiff in den Hafen der Ehe. Die Vöglein sangen, die Bäume blühten am steilen Hang des Dörfchens, und Adelbert führte selbst den Kahn mit der Hochzeitsgesellschaft über den `Rhein hinüber zur Hochzeitskirche.

'Benno' stand am Bug. Dann bewegte sich das Brautpaar mit den Eltern und Trauzeugen zur Kapelle beim Schloss zur Trauung. Der Pfarrer lobte Adelbert, wies hin auf seine Vergangenheit und wünschte der jungen Braut einen gesegneten Ehestand.

Hinten, ganz hinten in der Kapelle sassen Bertha von Laufen und Adelheid von Stockar samt Ludwig.

Als die Glocken beim Verlassen der Kapelle läuteten, da leuchteten die Augen Adelheids, als wollten sie sagen: ' Ich liebe dich und gönne dir dein Glück bis an mein Ende. ' Adelbert und seine glückliche Frau Rosmarie waren nicht wenig erstaunt, als Bertha von Laufen zu ihnen trat und erklärte, die ganze Hochzeitsgesellschaft möge ins Schloss kommen, es wäre dort eine Tafel bereit für alle. Ohne Zögern folgte die Hochzeitsschar dieser Einladung. Im runden Turme gegen Norden brachte Melchior Speise und Trank.

Auch Bertha und Adelheid waren zugegen und wünschten dem jungen Paar alles Gute. Sie erwähnten, dass sie dem Rheinfallschiffer, der einmal mehr gezeigt habe, was Tapferkeit und Treue bedeuten, das Leben zu verdanken hätten. Wem das Herz fehlt, dem nützt auch der Degen nichts, schloss das Edelfräulein von Laufen die Ansprache und eröffnete Adelbert, dass er zeit seines Lebens freien Eingang zu ihrem Schlosse habe.

Adelheid standen die Tränen in den Augen, als Adelbert gerührt die Verse sprach:

Wenn alles wird vergehen,
Vergeht die Treue nicht. Wenn
Menschen sich verstehen,
Dann führt der Weg zum Licht.

So wie die Wellen rauschen
Am Rheinfall ohne Ruh,
So werd ich einmal tauschen
Den Weg dem Himmel zu.

Dann wird mein Kahn verlassen
Einsam am Ufer sein.
Auch mein Stern wird verblassen
Als Schiffer von dem Rhein.
Unter allerbester Verdankung verabschiedeten sich die Gäste spät in der Nacht und schritten zweit zu zweit an das Rheinufer hinab.

Die Ruder schlugen an, und sicher fuhr der Nachen ans andere Ufer. Oben am Hause des Rheinfallschiffers, wo nun Rosmarie einkehrte, hatte die Dorfjugend einen wunderbaren Immergrünkranz aus dem Fischerhölzli angegebracht mit einer Inschrift:

'Viel Glück und Segen unserem Rheinfallschiffer und seiner lieben Rosmarie.'

Für diese überraschung spendete Adelbert an diesem schönen Maienabend den jungen Gratulanten in seinem Hause Speise und Trank. Dann hüllte die Nacht das Dörfchen mit seinen Menschen in Schlummer. -

[Luftaufnahme] Übers Jahr kam ein Sohn für unsern berühmten Rheinfallschiffer zur Welt und Adelheid wurde Taufzeugin, wie sie es seinerzeit versprochen hatte. Adelheid hielt ihren Entschluss auf recht. Sie heiratete nie, doch sah sie ihren Freund mit dem bäuerlichen Blute immer wieder und war damit zufrieden. - Das Munotglöcklein aber läutet heute noch zur neunten Stunde, wie damals und immer in dem durch den Riss entstandenen wehmütigen Klange.

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